1. DEZEMBER



Ist eigentlich jemand aufgefallen, dass wir den ersten Advent verpasst haben? Der war schon! Letzten Sonntag. Wir hätten schon am 27. November ein Kerzchen auf dem Adventskranz anzünden sollen, und ein Liedchen singen "Wir sagen euch an, den lieben Advent..."  Der 25. fällt nämlich auf einen Sonntag. Da bleiben uns jetzt nur noch drei bis dahin.
Nie im Leben wäre mir das dieses Jahr eingefallen. An dem zur Debatte stehenden Sonntag lag ich den größten Teil des Tages mit Sonnenbrille und Bikini am Rand eines Pools und habe Márai auf Spanisch gelesen. Heute hatte es 34 Grad. Morgen dürfte man das erste Türchen im Adventskalender öffnen. Natürlich habe genauso wenig einen Adventskalender, wie ich einen Adventskranz habe. Besser auch, ich könnte mir das Ding ja schlecht außen an den Trackingrucksack hängen, und damit ne gute Woche durch die südchilenische Seen-Gegend trampen.
Ihr habt es sicher schon gemerkt. Ich bin dieses Jahr nicht besonders in Adventsstimmung. Und trotzdem habe ich mich schon mehrere Male dabei erwischt, immer im Büro oder in der Küche der Botschaft, genau genommen immer, während ich von der Küche in das Büro stöckelte, mit einem Glas Wasser, einem Nescaffee oder Tee, dass ich leise ein Weihnachtslieded gedudelt habe. "Sti-ille Nacht, hei-lige Nacht...". Nach ein zwei Zeilen wird einem dann plötzlich bewusst, dass man dudelt, und was man dudelt, und die erste Reaktion ist immer: "So´n Schwachsinn, warum kommst du denn jetzt mit Weihnachtsliedern?" Und dann, ein paar Sekunden danach: "Ach, doch, stimmt. Es ist gleich Dezember..."
Dieses Jahr muss ich mich mehr anstrengen, um mich auf Weihnachten einzustimmen. Die Vorweihachtzeit hat ja schließlich ihren Sinn. Eigentlich. Eigentlich ist es ja eine bedachte Zeit, eine in sich gekehrte Zeit, der Vorfreude auf die Geburt des Jesuskindes, das uns ja erlöst von unseren Sünden. Eigentlich finde ich schon, dass es sich lohnt, sich mit dieser Idee auseinanderzusetzen. Nur gewöhnlich ist die Vorweihnachtszeit auch genau die Zeit in der man gerade überhaupt keine freie Minute hat sich mit irgendwelchen Ideen auseinanderzusetzen. Es ist auch gewöhnlich zu kalt dazu. Und die Tage sind eh so kurz. Und dann muss man ja noch Geschenke kaufen.
Nichts dergleichen hier. Vielleicht noch zwei Kapitel habe ich zu lesen von dem Márai Buch auf Spanisch. Dann kann ich mich ja eventuell am Rand des Pools statt literarischen, vorweihnachtlichen Ideen widmen. Über die Idee der Erlösung von Sünden, über das Feiern, über die Rituale, über gute Vorsätze für das nächste Jahr...
Und die Hirngeburten die ich bei diesen Pool-sessions produzieren werden, das wird mein Adventskalender. Jeden Tag, ich werde es versuchen, schreibe ich über einen Gedanken. Ich verspreche nicht, dass es immer ein vorweihnachtlicher sein wird (der Geruch von Himbeeren und Sonnenmilch vertreibt sie wieder und wieder...), ich kann auch nicht versprechen, dass ich jeden Tag Internetzugang haben werde (ich reise in knapp zwei Wochen noch ein bisschen Richtung Patagonien) aber ich kann ja mein bestes versuchen. Und wenn ich es nicht poste, so denke ich es halt für mich.
Es wird, wenn ich das so durchziehe, wohl die besinnlichste Adventszeit seit langem.




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