Transitflughafen
Man kommt anders an im
Transitflughafen als im Zielflughafen. Man sitzt noch, während
andere, kurz nach Stillstand der Maschine, aufspringen und das
Handgepäck aus den Overheadcompartments zerren. Man sitzt noch,
während die anderen im Flugzeuggang gezwängt stehen, nach vorne
blickend, wann endlich die Flugzeugtür geöffnet wird. Man schaut
sie an, die Leute die angekommen sind. Sie haben's eilig. Man selber
sucht langsam die Schuhe unter dem Sitz hervor, lässt die
Menschenschlange vorbei strömen, und wartet auf eine sich ergebende
Lücke, um die Jacke herunterzuheben. Die Menschenschlange doppelt
sich im langen Durchgang, der wie ein Tentakel die Reisenden aus dem
Flugörper heraus in das Terminalgebäude saugt. Im Flur wird die
Menschenschlange noch dicker. Eine Masse die dem Ausgang entgegen
strebt. Das Ankommen lässt die Menschen trotz verquollenen Augen der
Passkontrolle und der Gepäckausgabe entgegenfiebern.
Nur man selber
schlendert. Man hat drei Stunden im Transitflughafen. Der
Anschlussflug geht erst um neun Uhr zweiunddreißig. Man hört eine
Dame in lila Uniform an Rande der vorüberquillenden Menschenschlange
„Buenos Aires?“ „Bello Horizonte?“ rufen. Und plötzlich muss
man rechts in eine Tür einbiegen und man ist alleine in einem fast
leeren Gang. Die Menschenschlange quillt weiter an der Tür vorbei.
Eine Rolltreppe führt nach oben, sie wird es wohl sein, da der Gang
in eine Sackgasse mit einem noch nicht geöffneten Imbissstand
mündet. Und wieder ist man in einem Boarding-Bereich. Ein-zwei
Tax-free shops haben schon geöffnet. Ein-zwei Transitgäste liegen
zusammengerollt auf den grau-blauen Sitzreihen und schlafen. Die
Transitstadt hinter dem Glas ist noch in Morgengrauen gehüllt. Graue
Türme, Rasen, Stadtteile, die spielerisch unregelmäßigen
Silhouetten von grauen Bergen, die darauf warten aufzuwachen und die
ankommenden Touristen zu begrüßen. Mich begrüßen sie nicht.
Man schaut hinaus auf den
Transitflughafen, in die Transitstadt. Rio de Janeiro. Es könnte
auch Trondheim sein, oder Jakarta. Wenn man sie kennt rufen die
schlafenden Berg-Silhouetten vage Erinnerungen hervor. Wenn man sie
nicht kennt, ruft der Name ein bisschen Sehnsucht hervor. Man ist
hier aber doch nicht. Man sitzt auf den grau-blauen Sitzreihen,
blickt leer vor sich hin oder aus dem Fenster in das Morgengrauen.
Man kratzt die von der trockenen Flugzeugluft angetrockneten Krusten
aus den Nasenflügeln. Es wird nur sehr langsam heller. Ab und zu
kommen einige Schicksalsgenossen – teils bekannte
Transitgast-gesichter – entlanggeschlendert, suchen sich einen
grau-blauen Sitz in einer Ecke in der möglichst noch niemand sitzt
und den möglichst niemand sieht. Man ist gerne ganz allein in einem
Transitflughafen.
Acht Uhr 17, boarding ist
in 15 Minuten angesetzt, aber die zwei Bildschirme über dem Gate
blicken noch schwarz dem Fenster entgegen, die immer heller grau
werdenden Bergsilhouetten der Transitstadt an. Für die bleibt die
Stadt immer Transitstadt, und sie werden auch nicht in 15 Minuten
boarden können, in ein Flugzeug, dass einem in eine Zielstadt
fliegt, in der man dann ungeduldig die Overheadkompartments aufreißt
und im gezügelten Laufschritt der Passkontrolle und der
Gepäckausgabe entgegeneilt.
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